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Ein Netzwerk expandiert.

Die Region Stuttgart ist geprägt von Autoindustrie, Maschinenbau und Kreativwirtschaft, aber auch von einem starken Bildungsbürgertum. Dieses zeigt sich nicht nur in der Kulturmetropole Stuttgart, sondern auch im lebendigen Kulturleben der zahlreichen seit dem Mittelalter gewachsenen, bedeutenden Städte rund um Stuttgart.

Auch die Neue Musik hat seit Jahrzehnten in diesem Ballungsraum ihren festen Platz. Neben dem SWR mit Chor, Orchester und der Reihe attacca, Musik der Jahrhunderte mit den Neuen Vocalsolisten sowie ECLAT und Konzertreihen, der Staatsoper, der Musikhochschule und der Akademie Schloss Solitude kann auch eine lebendige Off-Szene auf ein waches und diskussionsfreudiges Publikum zählen. Zu ihr gehören die Festivals Tonart, KlangRaum, verschiedene Konzertreihen und zahlreiche Ensembles: ascolta, Phorminx, ExVoco, die Initiativen open_music und Suono Mobile u.v.a.m. Darüberhinaus wurden auch Konzepte für Vermittlung neuer Musik entwickelt wie die BEGINNER Konzerte und der Jugendkongress n[you].

festival_zukunftsmusik__arbeitsmarktplatz_esslingen_johannes_kreidler_2010_foto_robero_bulgrin_1_web.jpgAuf diese Erfahrung konnte das Netzwerk Süd (NWS) gründen, in dem sich 2007 unter der Federführung von Musik der Jahrhunderte, das dem Netzwerk seitdem Trägerschaft und Infrastruktur bot, Veranstalter, Musiker und Konzertpädagogen aus Stuttgart und der Region zusammenschlossen.Ein wichtiges Ziel von NWS war, die Neue Musik wieder ins Bewusstsein einer aufgeschlossenen, gleichwohl vom komplexen und vielgestaltigen Kulturleben in der Region auch etwas gesättigten und absorbierten Öffentlichkeit zu bringen. Menschen aus unterschiedlichsten gesellschaftlichen Bereichen sollten erreicht werden – also auch Menschen aus kulturfernen Schichten, die nicht ohne weiteres mit dem Musikleben in Berührung kommen. Dabei sollte „ein großes Potenzial an Kreativität, Experimentierlust und Spielfreude freigesetzt werden, das der neuen Musik eigen ist“.

NWS suchte daher vor allem die größeren Städte der Region außerhalb Stuttgarts als Partner zu gewinnen. Zahlreiche Gespräche mit Leitern von Kulturämtern, Musikschulen, Volkshochschulen, Chören, Orchestern und Schulen gingen der Gründung voraus und begleiteten die vier Netzwerkjahre. Und das NWS stellte damit seine Ko-Finanzierung auf drei Säulen: auf die Zuschüsse der teilnehmenden Kommunen, auf Mittel, die Mitglieder selbst einbrachten sowie Mittel von Stiftungen und Sponsoren. Letztendlich basierte die Ko-Finanzierung zur Förderung durch das Netzwerk Neue Musik auf weit über hundert Einzelförderungen.

Die teilnehmenden Kommunen und Einrichtungen hatten sehr unterschiedliche Vorstellungen von der Zusammenarbeit mit dem NWS. Entsprechend vielgestaltig waren die Aktivitäten des NWS. In Esslingen, Backnang, Göppingen und Nürtingen entstanden u.a. Konzertreihen neuer Musik, in Ludwigsburg, Bietigheim, Pforzheim und Ostfildern Projekte mit Musikschulen. Neue Werke für Blaskapellen, Guggenmusik-Ensembles, Chöre oder Laienorchester wurden beauftragt und erarbeitet. Den größten Teil aber nahmen Workshops in Schulen und Musikschulen ein, darunter zahlreiche BEGINNER Konzerte sowie Projekte von open_music, die Kindern und Jugendlichen durch Improvisation die Fähigkeit vermitteln wollen, sich ohne sprachliche oder leistungsbezogene Hindernisse auszudrücken.


Im Laufe von vier Netzwerk-Jahren wurden in 31 Städten der Region Stuttgart 176 Konzerte, 46 Einführungsveranstaltungen und 160 eintägige bis mehrwöchige Workshops zu neuer Musik durchgeführt. Acht unterschiedlich geartete Fortbildungen richteten sich an Lehrer, Musikschullehrer oder Konzertpädagogen, drei Kompositionswettbewerbe lobten Werke für nicht-professionelle Musiker und Ensembles aus, aus denen ein Kanon von weit über 100 neuen Werken entstand.


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Große Aufmerksamkeit erreichten das Jugendhausprojekt Falsche Arbeit von Hannes Seidl und Daniel Kötter, die Kinder-Musiktheaterproduktion Ulla und die schöne Lau von Thomas Stiegler und Manfred Weiß, accompagnato von Bernhard König, der ein Varieté für Menschen mit Behinderung und Orchestermusiker schuf und dafür den BKM Preis Kulturelle Bildung erhielt sowie zwei Jugendkongresse neuer Musik n[you] mit Projektwochen zu Komposition, Klangkunst, Computermusik, Improvisation, Instrumentenbau und Musiktheater.

Im multidisziplinären Projekt Jetzt! vereinte open_music Schüler aus weiterführenden wie aus Brennpunkt-Schulen derart überzeugend, dass die Initiative nach vier Jahren der Projektförderung ab 2012 in eine Dauerförderung übernommen wurde. Zudem erhielt sie zweimal den Preis Kinder zum Olymp.

Ein Höhepunkt war das Festival Zukunftsmusik im Oktober 2010, das NWS in Zusammenarbeit mit der KulturRegion Stuttgart veranstaltete. Zwölf Komponisten sollten ein interdisziplinäres Projekt für eine von zwölf Festival-Städten erfinden und dabei Menschen der Orte in ihrer Arbeits- oder Freizeitwelt künstlerisch aktiv einbeziehen. Angesiedelt zwischen Musiktheater, Happening, Performance oder Installation entstand ein Dialog zwischen zeitgenössischer Kunst und Gesellschaft voller Abenteuer und Spielwitz.

sounding_d_06092010_astrid_karger_sternklang_3105_web.jpgDie Alltagswelt der teilnehmenden Menschen wurde auf den Kopf gestellt, aber auch die Kriterien künstlerischer Arbeit. Der Spagat zwischen höchstem künstlerischen Anspruch und den Bedingungen partizipatorischer Projekte, der das NWS ständig beschäftigte, ist hier besonders eindrucksvoll gelungen. Zukunftsmusik erreichte mit zahlreichen Rundfunk-Features und einem enormen Pressespiegel bundesweit große Aufmerksamkeit und wurde für den BKM Preis nominiert. 

Am „Roundtable“ diskutierten die Mitglieder des NWS regelmäßig über Evaluation und neue Projekte. Zum Kernteam gehörten Ulrike Stortz und Scott Roller von Open_Music, Christof Löser von Suono Mobile, Thomas Löffler vom Ensemble Phorminx sowie die Konzertpädagogen Ute Kabisch aus Ludwigsburg, Bernd Gehlen aus Bietigheim und Albrecht Imbescheid aus Ostfildern.

Der fruchtbare und kollegiale Diskurs der Teilnehmer im NWS bildet nun die Grundlage für ein neues, größeres Netzwerk, das sämtliche Protagonisten der neuen Musik in Baden-Württemberg einschließt und das nach dem Vorbild von Netzwerk Süd und Mehrklang Freiburg eine nachhaltige Vermittlung neuer Musik im ganzen großen Land Baden-Württemberg vorantreiben wird.