saarbruecken_banner_2012.jpg   Logo netzwerk musik saar
     

strukturwandel – neues hören und sehen

Um Neue Musik in einer konzertierten Aktion zu vermitteln, waren in Saarbrücken die strukturellen Voraussetzungen denkbar gut. Im Netzwerk Musik Saar waren bereits seit 1995 alle großen Kulturorganisationen (Saarländischer Rundfunk, Saarländisches Staatstheater, Hochschule für Musik Saar, Hochschule der Bildenden Künste, Universität des Saarlandes) involviert, die wiederum Kooperationen mit freien Ensembles pflegten. Neue Musik war präsent im Land, ob im Festival Mouvement, in der Saarbrücker Komponistenwerkstatt, bei den Tagen für Interpretation und Aufführungspraxis, in der Saarbrücker Sommermusik oder im Saarländischen Staatstheater. Hinzu kam das Ausbildungsangebot der beiden künstlerischen Hochschulen mit regelmäßigen Klassenauftritten und Klangkunstausstellungen. Das Netzwerk hatte sich bereits die Vermittlung Neuer Musik auf die Fahne geschrieben. Die vierjährige Förderung ermöglichte nun, langfristig gemeinsame Projekte zu entwickeln und sich so als Netzwerk in künstlerischer Hinsicht zu profilieren und sich als eigene Organisation im kulturellen Leben des Saarlandes öffentlich zu positionieren. Den roten Faden und damit die Erkennbarkeit des Projekts sollte ein übergeordnetes Thema liefern und eine engere Kooperation mit der freien Szene weitere Mitnahmeeffekte erzielen. In der Nachfolge zur in den 90er Jahren im Saarland sehr erfolgreichen Industriekultur wollte »strukturwandel – neues hören und sehen« Veränderungen in der regionalen akustischen Umwelt, im Arbeitsalltag und in politischen Zusammenhängen herausarbeiten und so die große Verbundenheit der Bevölkerung mit ihrer wirtschaftlichen und politischen Geschichte nutzen.

 

2010_05_mouvement_2010_spiel_ohne_grenzen_proben_zweitechanceastrid_karger_72_web.jpgDiese thematische Festsetzung hat sich nur zum Teil als glücklich erwiesen. Nach wie vor ist öffentliche Aufmerksamkeit gesichert, wenn für ein Projekt Tonaufnahmen in einem Hüttenwerk gemacht werden. Auch die historische Anknüpfung an die Bedeutung der französischen Kulturpolitik für das Saarland mit einer großen Werkschau von Olivier Messiaen oder die Musikalisierung von politischen Reden waren sehr erfolgreich. Auf Dauer musste den künstlerischen Partnern jedoch auch die Chance gegeben werden, ihre Gegenstände etwas freier zu entwickeln. Dabei wurden unterschiedliche künstlerische und pädagogische Ansätze erprobt. Projekte, die auf der Partizipation von Laien (Erwachsenen wie Schülern) basierten, brachten ein Publikum mit Neuer Musik in Berührung, das vermutlich zuvor noch nie in einem Konzertsaal war. Besonders hervorzuheben ist hier neben zwei Produktionen des Saarländischen Staatstheaters und des Saarländischen Rundfunks mit dem Ensemble Liquid Penguin eine audiovisuelle Ausstellung zu Märchenstoffen der HBKsaar mit rund 13.000 Besuchern. Projekte mit Schülern und Jugendlichen aus prekären Verhältnissen sorgten allerdings auch dafür, dass die beteiligten Künstler sich ebenso als Sozialarbeiter betätigen mussten. Die traditionelle Konzertform zu verlassen, ein künstlerisch-kreativer Umgang mit für Musik eigentlich ungeeigneten Räumen, Vermittlung in Performance eingebunden, Neue Musik im öffentlichen Raum, das war Sache der freien Szene. Solche Formate sind nicht zwangsläufig massentauglich, ihre Qualitäten in puncto Publikumsakquise bewiesen jedoch auch sie bei sounding D ebenso wie beim Festival für hinterhältige Musik zu Ehren von Mauricio Kagel. Als Aktivposten erwies sich die freie Szene auch in der Entwicklung neuer Projekte und in der vereinsinternen Struktur.

 

2009_06_21_musikmaschine_5_web.jpg

    sounding_d_04092010_astrid_karger_rooftop_2752_web.jpg

 

 

 

 

 

 

Begleitet wurden die künstlerischen Aktivitäten von einer professionellen Öffentlichkeitsarbeit sowie einer gemeinsamen Werbung der Partner. So konnte die Präsenz des Netzwerks in den Medien (bis hin zu einem großen Boulevardblatt) in einer Art und Weise gesteigert werden, die zuvor – ohne die verstärkte Netzwerkaktivität und die finanzielle Ausstattung – undenkbar gewesen wäre.


Mit dem Projekt ist das Vertrauen der künstlerischen Partner untereinander gewachsen, die Basis des Netzwerks hat sich vergrößert. In das Ende der Förderung platzte jedoch auch die Nachricht, dass der Saarländische Rundfunk sein Festival streichen wird. Damit geht gleichzeitig das Flaggschiff des Neue Musik-Lebens unter. Derzeit sind die Partner in intensiven Gesprächen, wie die Neue Musik künftig gut aufgestellt werden kann. In einer solchen Situation ist die Neigung, die verbleibenden Ressourcen eher in ein musikalisches Angebot als in begleitende Vermittlungsaktivitäten zu investieren, sicher groß. Nichtsdestotrotz werden die Erkenntnisse des Projekts »strukturwandel« auch hier mitwirken.